Reiseplanung

Stadt der Bogengänge

Avilés liegt im grünem Norden Spaniens. In der Altstadt sind die vielen Bogengänge etwas Besonderes. Am Rande der Altstadt hingegen setzt das Centro Niemeyer futuristische Akzente

Avilés liegt an einer Flussmündung, bis zur Atlantikküste sind es fünf Kilometer. Die Stadt mit rund 80.000 Einwohnern gehört zu Asturien, einer der kleinsten Autonomen Gemeinschaften Spaniens. Zusammen mit dem Baskenland, Galizien und Kantabrien bildet Asturien den grünen, atlantischen, sehr sehenswerten Norden.

In der gut erhaltenen Altstadt sind viele Wege autofrei und Fußgängern vorbehalten. Gute Voraussetzungen also, das Tempo zu drosseln und die vielen Gassen, Bogengänge und Plätze in Ruhe zu erleben.

Altstadtgasse in Avilés (Foto: C. Kreutzer)

Ich habe in den 1990er Jahren Karneval in Avilés gefeiert, in einem Bärenkostüm, das mir Isabel, eine Kommilitonin, geliehen hatte. Mir sind noch ein paar Bilder von dem Wohnblock, in dem sie mit ihren Eltern wohnte und dem Park gegenüber in Erinnerung, genauso wie der Karnevalsumzug und die vollen Bars, durch die wir mit ihren Freunden gezogen sind. Nach drei Jahrzehnten meine ich, ist es wieder an der Zeit Avilés zu besuchen.

Frühlingstemperaturen im Winter

Für einen Februartag ist es ungewöhnlich mild. Die dicken Winterjacken erweisen sich als überflüssig. Wir sind aus Madrid angereist. Um möglichst viel vom Tag zu haben, haben wir zu Nacht schlafender Zeit den Zug genommen. Wir sind keine fünf Minuten vom Bahnhof in Richtung Hotel unterwegs, als wir an einem Platz vorbeikommen, auf dem junge Leute vor Bars sitzen. Eine Frau trägt eine knallige, pinke Perücke – es ist Karnevalssamstag, heute Abend geht der große Karnevalszug.

Die Plaza de España mit dem Hotel Palacio de Ferrera

Unser Hotel befindet sich an der Plaza de España, mitten in der Altstadt, im Palacio de Ferrera, einem eleganten historischen Gebäude mit schmiedeeisernen Balkonen. Wir haben es zu einem Schnäppchenpreis gebucht. Gegenüber liegt das Rathaus, ebenfalls in einem historischen Gebäude. Wir checken ein, bewundern auf dem Weg ins Zimmer die eleganten Flure und stehen kurze Zeit später wieder auf dem Platz, um mit der Erkundung loszulegen.

Unter den Arkaden direkt neben dem Hotel sind einige Bars untergebracht. Es sitzen nur wenige Leute darin – noch ist die Mittagessenszeit nicht vorbei. In der Straße Calle Rivero treffen wir auch schon auf schöne Postkartenmotive. An der Stelle, wo die Gasse sich etwas weitet, treffen wir auf bunte Hausfassaden. Ein paar Häuser weiter erzeugen unterschiedliche Säulen einen angenehmen Rhythmus fürs Auge. Die Sonne scheint, und die Säulen werfen markante Schatten. Es ist schön in Avilés zu sein!

Knallbunte Häuser sind in Nordspanien geläufig (Foto: C. Kreutzer)
Von den Bögen geht eine besondere Stimmung aus (Foto: C. Kreutzer)
Nordspanische Besonderheiten

Von allen nordspanischen Städten dieser Größe ist mir keine bekannt, die ein so einheitliches und großes Altstadt-Ensemble aufweist wie Avilés. Es lassen sich Gebäude verschiedener Epochen finden, aus dem Barock zum Beispiel das Hotel, in dem wir wohnen, aber auch ein mittelalterlicher Palast aus dem 14. Jahrhundert oder sogar romanische Kirchen.

Dieser Palast stammt aus dem 14. Jahrhundert. Er gehörte einem wohlhabenden Händler. Im Erdgeschoß befanden sich sein Geschäft und Lager, oben wohnte er (Foto: C. Kreutzer)
Kirche aus dem 13. Jahrhundert mit romanischen Stilelementen (Foto: C. Kreutzer)

Eine Besonderheit in Nordspanien – so auch in Avilés – sind Häuser mit Galerias. Das sind geschlossene Balkone aus Holzrahmen und Glasfenstern. Sie dienen weniger dem Aufenthalt, da sie nicht sehr geräumig sind, sondern eher als Stilelement. Die bekanntesten Galerias schmücken gleich eine ganze Häuserzeile in A Coruña in Galicien. Sie sind einheitlich in Weiß gehalten und vermitteln eine gehörige Portion maritimer Atmosphäre.

Häuser mit sog. Galerias, also verglasten Balkonen, in der Calle San Francisco (Foto: C. Kreutzer)
Blick in den dazu gehörigen Bogengang (Foto: C. Kreutzer)

Wir reißen uns von dem außergewöhnlichen Blick auf die Bögen los und durchqueren einen Park. Ich frage mich, ob das der Park war, an dem Isabel gewohnt hat; nach so vielen Jahren kann ich mich leider nicht mehr genau daran erinnern – schade – und wir gelangen zur Straße Calle de Galiana, wo wir den nächsten Bogengang erreichen. Hinter einigen Eingängen befinden sich Restaurants, die aber offensichtlich erst abends öffnen. Auch hier der gleichmäßige Rhythmus der Säulen. Den Bogengängen gegenüber stehen Palmen im Vorgarten. Sie sorgen für mediterranes Flair am Atlantik.

Ein Schaumbad zu Karneval

Die Calle de Galiana spielt im Karneval eine wichtige Rolle: Eine Besonderheit in Avilés sind Schaumkanonen, die entlang der Straße aufgestellt sind und aus denen Schaum rieselt; sehr zur Freude von Kindern, die allzu gerne unter den Flocken hin und her springen oder sich auf den Boden stürzen, um darin zu tollen. Nachdem die Wölkchen also am frühen Abend auf die Straße zu schweben beginnen, watet man am späten Abend stellenweise durch eine kniehohe Schicht.

Wir setzen unseren Weg fort, besichtigen den Platz, an dem Wochenmarkt abgehalten wird.

Der Marktplatz ist vollständig von Galerias umgeben (Foto: C. Kreutzer)
Das Theater Palacio Valdés wurde zu einer Zeit errichtet, als Avilés 12.000 Einwohner hatte, d.h. etwa ein Achtel der heutigen Einwohnerzahl (Foto: C. Kreutzer)

Mittlerweile steht uns der Appetit nach einem Stück Kuchen, allerdings finden wir auf unserer Strecke kein Café. Als wir an einem kleinen Platz ankommen, auf dem Magnolienbäume blühen, setzen wir uns vor die einzige Bar und fragen nach Kuchen. Leider Fehlanzeige. Wir trösten uns mit einem Café con Leche, einem Milchcafé, und beobachten eine kleine Gruppe von Spaniern am Nachbartisch.

Erste Frühlingsboten in Nordspanien (Foto: C. Kreutzer)
Spanische Ansichten

Ich bin immer wieder fasziniert, wie anders Spanierinnen und Spanier mir vorkommen. Irgendwie finde ich sie meistens unkonventioneller als die Menschen bei uns in Deutschland – mich eingeschlossen. Als ich in Spanien studierte, lud mich Carlos, ein Kommilitone, zu einer Tertulia ein. Eine Tertulia ist ein Schwätzchen unter Männern, in den 1990er Jahren im Allgemeinen schon nicht mehr üblich, zu ihrer Blütezeit wurde in diesen Zirkeln aber gerne über Politik gesprochen. Auf jeden Fall amüsierten sich Carlos und seine Freunde über einen deutschen Studenten, der eine 500 Gramm-Packung Joghurt gleich auf einmal verspeiste. Obwohl ich nicht gemeint war, fühlte ich mich etwas ertappt. Diese Joghurtliebe kannte ich tatsächlich unter deutschen Studenten und musste schmunzeln, dass sie es zum Gesprächsthema in einer spanischen Tertulia gebracht hatte. Ebenfalls unterhielten sie sich über Mantawitze. Sie fanden daran gar nichts lustig. Mehr als ein Schulterzucken hatten sie dafür nicht übrig, sie lachten über andere Witze. Ich finde es sehr interessant, wie unterschiedlich der Humor von Land zu Land ist.

Der Wandel der Innenstädte

Einige der Straßen und Gassen der Fußgängerzone sind Einkaufsstraßen, und wir beginnen eine kleine Tour durch die Boutiquen. In den neunziger Jahren florierten in Spanien Einzelhandelsgeschäfte. In den Innenstädten gab es alles in kleinen, inhabergeführten Läden zu kaufen: Babyausstattung, Radios und Fernseher, Schuhe, Haushaltswaren, Schmuck und Uhren, Dekoartikel und natürlich Klamotten. Kaufte man zum Beispiel einen Schlafanzug, so drapierte ein Verkäufer ihn sorgfältig in einer Pappschachtel und reichte ihn über die Ladentheke. Etliche Rentner und Rentnerinnen besserten ihre Kasse mit dem Verkauf von Grundnahrungsmitteln auf. Sie standen Tag für Tag in schmalen Lädchen hinter der Theke, die Regale bis unter die Decke vollgepackt mit Reis, Linsen und Konserven. Mittlerweile hat sich das geändert. Nicht wenige Städte leiden unter leerstehenden Geschäften und auf der grünen Wiese befinden sich auch in Spanien Einkaufszentren, die den Geschäften in den Innenstädten Konkurrenz bereiten. Etwa ab der Mitte der 1990er Jahre tauchte Reklame von Media Markt auf großen Reklametafeln auf. In Avilés gibt es ein kleines Einkaufszentrum in der Innenstadt, das den typischen Charme eines Einkaufszentrums versprüht. Es könnte auch irgendwo anders sein. Ich finde es trostlos und möchte mich auf dem Absatz wieder umdrehen, sobald ich es betrete. Während der Corona-Pandemie war in der spanischen Tageszeitung La Nueva España zu lesen, wie sehr in Avilés Inhaberinnen von kleinen Läden um ihre Existenz kämpften.

D’r Zoch kütt

In einer traditionsreichen Konditorei neben dem Einkaufszentrum decken wir uns mit ein paar Plätzchen ein und knabbern sie auf einer Bank. Langsam füllt sich die Stadt mit Jecken, Eltern kommen mit ihren Kindern herbei geströmt. In der Calle de Galiana haben die Schaumkanonen mittlerweile ihren Dienst aufgenommen.

Vornehme Damen auf dem Weg zum Karneval (Foto: K. Kreutzer)
Könnten auch in Deutschland unterwegs sein (Foto: C. Kreutzer)
Auch die Minions sind unterwegs (Foto: C. Kreutzer)
Bad im Schaum (Foto: C. Kreutzer)

Schon in den 1990er-Jahren wunderte mich, dass die Menschen sich wie im rheinischen Karneval verkleiden. Ohne groß darüber nachzudenken hätte ich eher Kostüme wie in der Alemannischen Fastnacht vermutet. Und so ziehen vornehme Damen und Clowns an uns vorbei und eine Minionsfamilie mit zwei kleinen Minions, die es mir besonders angetan haben. Sie stellen sich auch prompt in den Flockenregen einer Schaumkanone, der eine nach vorne, der andere etwas zögerlicher weiter hinten. Auch die Umzugswagen stehen denen aus den großen Rosenmontagszügen in Düsseldorf, Köln und Mainz, was die Fantasie und die handwerkliche Ausführung angeht, in nichts nach. Wir haben uns mittlerweile unter Arkaden positioniert, wo wie überall dichtes Gedränge herrscht.

Mittlerweile ist die Altstadt voller Menschen. Gefeiert wird mit himmlischen Beistand (Foto: C. Kreutzer)
Sogar auf den Mauerkronen warten die Menschen. Damit der Schaum besser fließt, wird zusätzlich Wasser auf die Straße gespritzt – die Spanier lieben Spektakel (Foto: C. Kreutzer)
Schaumgestöber über den Köpfen der wartenden Menge (Foto: C. Kreutzer)

Auf den Zug zu warten erscheint mir hier genauso langweilig wie zu Hause. In einem Süßigkeitenladen decken sich die Jecken mit Knabbereien ein. Es herrscht Gedränge, hinter der Theke kassieren zwei alte Leute – hier gibt es sie noch – in Seelenruhe die Menge ab. Ungeduldig ist hier niemand.

Die Umzugswagen verbreiten eine ausgelassene Stimmung. Auf einem Wagen mit Strand-Badehäuschen, wo die Gruppe sich als Badende im Stil der 1920er-Jahre verkleidet hat, geht besonders die Post ab. Insbesondere die Männer haben riesigen Spaß daran zu tanzen. Ein gut gelungenes Video fasst den Zug zusammen, auch die Minions und die badenden Männer sind zu sehen (siehe Tipps & Links).

In einem modernen asiatischen Restaurant unter den Arkaden kehren wir ein. Draußen läuft immer noch der Zug vorbei. Das frühe Aufstehen macht sich mittlerweile bemerkbar. Morgen heißt es für uns nicht madrugar, das spanische Wort für sehr früh aufstehen.


Das Centro Niemeyer erstreckt sich über 22.000 Quadratmeter (Foto: C. Kreutzer)



Tipps & Links
Infomaterial
NO 1: Die offizielle Website von Avilés ist spanisch- und englischsprachig. Unter „Folletos“ stehen Broschüren über Avilés und Umgebung zum Download bereit.

NO 2: Die Website des Centro Niemeyers zeigt sich m.E. noch etwas ausbaufähig, der vollständigkeithalber möchte ich sie aber hier aufführen.

NO 3: Die Macher und Macherinnen der offiziellen Seite Asturiens hingegen haben sich sehr ins Zeug gelegt und das mit Erfolg. Die Seite gibt es auf Deutsch. Unter „Entdecken Sie“ und „Landtourismus“ gelangt man zu einer gelungenen Übersicht über Asturien. Der Westen, Osten und die Mitte Asturiens werden in anschaulichen Kurzporträts vorgestellt.

NO 4: Ein sehenswertes Video über den Karnevalsumzug in Avilés (Dauer 5 Minuten). Ich finde die Soundeffekte sehr gelungen.

Aktiv unterwegs
NO 5: In Asturien lohnt sich ein Ausflug an die Küste, z.B. an den kleinen Fischerort Cudillero, ganz in der Nähe von Avilés. Hier gibt es viele Restaurants, in denen man gut essen kann, z.B. Paella oder Pulpo á la Gallega.

NO 6: Der Palacio la Quinta de Selgas oberhalb von Cudillero dümpelte lange Zeit vor sich hin, seit geraumer Zeit steht er dem Publikum zur Besichtigung der Gärten und Räume offen. Wer sich etwas bewegen möchte, kann vom Palast nach Cudillero spazieren und bekommt auf dem Weg dahin jede Menge Asturien-Flair mit. Oberhalb von Cudillero kann man sich in den Wiesen verlieren und von dort auf den Atlantik gucken.

ÖPNV
NO 7: In Spanien kann man sehr gut mit dem Bus fahren. Es gibt mehrere private Anbieter, die große und kleine Orte anfahren. Eine gute Gelegenheit, das Land von hoher Warte aus kennen zu lernen. Von Avilés nach Cudillero dauert die Fahrt mit dem Bus 50 Minuten und kostet zur Zeit der Veröffentlichung dieses Beitrags 3,30€. Es gibt im Abstand von drei Stunden täglich mehrere Verbindungen (Mittags eine Verbindung zusätzlich).



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