Die Ardennen, ein Mittelgebirge in der belgischen Wallonie, sind bekannt für ihre Wälder und den berühmten Schinken. Ein Besuch im nördlichen Teil zeigt: Es gibt noch viel mehr zu entdecken.
Die Ardennen. Obwohl ich in der Nähe aufgewachsen bin, hatte ich eine einseitige Vorstellung von ihnen. Ich sah dunkle, dichte und ausgedehnte Fichtenwälder vor mir. Und immer sah ich aufsteigenden Nebel und Jagdgesellschaften. Später erfuhr ich, dass es auch noch Ardenner Schinken gibt, was wiederum zu dem Jagdbild passte. All das klingt nach einem vielversprechenden Landschaftserlebnis – besonders im Herbst –, doch ist das alles? Wir wollen es wissen und wählen einen kleinen Weiler im Norden der Ardennen für ein Wanderwochenende aus.
Erholung inmitten von Wiesen
Lamonriville heißt der Weiler im französisch-sprachigen Teil Belgiens. Seine Handvoll Häuser sind von Grünland umgeben. Unter ihnen ist ein ehemaliger Bauernhof, der behagliche Appartements für Gäste anbietet. Wir erreichen den Hof über einen schmalen Weg. Bernard Guisset, der die Unterkunft mit seiner Frau führt, empfängt uns freundlich und nimmt sich Zeit, mit uns zu plaudern. Er behauptet von sich, nicht gut Deutsch zu sprechen – ich widerspreche ihm nur allzu gerne, denn die Unterhaltung mit ihm klappt problemlos.
Er erläutert: „Der Bauernhof ist mehr oder weniger 200 Jahre alt. Unseren Informationen zufolge wurde er bis in die 1960er Jahre betrieben. Dabei handelte es sich um eine Rinderfarm, wie meistens hier in unserer Gegend. Wir sind von Wiesen umgeben, auf denen Futter für den Winter gemäht wird.“
In den Beeten um das Haus herum wachsen üppig Funkien und Frauenmantel, hier und da Farn, Fingerhut und Lupine.
Ein Holztisch im Garten bietet ausreichend Platz für Mahlzeiten, und unter einer Buche stehen Liegestühle mit Blick auf Wiesen, einem Tal und Wald am Horizont. Wer Erholung sucht, findet sie hier.
Wir packen zügig aus, ignorieren etwas schweren Herzens die Liegestühle und den Ausblick, denn wir möchten noch vorm Abendessen eine kleine Wanderung im Tal der Warche unternehmen.
Teil des Rheinischen Schiefergebirges
Die Ardennen gehören wie die Eifel zum Rheinischen Schiefergebirge, der größte Teil erstreckt sich über Belgien und an den Rändern auch über Frankreich und Luxemburg. Bekannte Orte sind zum Beispiel Namur, Bastogne und Bouillon.
Ein Blick auf Landnutzungskarten zeigt einen Wechsel aus Wäldern und Grünland. Richtung Frankreich werden die Wälder größer und zusammenhängender. Günstige Jagdbedingungen finden sich, so die offizielle Internetseite der Ardennen, im Wald um Saint-Hubert, Luftlinie etwa 70 Kilometer von Lamonriville entfernt.
Kleiner Stadtbummel
Nur ein Steinwurf von Lamonriville hingegen entfernt, liegt Malmedy. Man spricht französisch in der gut 12.000 Einwohner zählenden Stadt; es gibt eine moderne, gut sortierte Touristeninformation, inhabergeführte Läden, Bäckereien und Restaurants. Wer sich vor Wanderungen mit frischem Proviant, etwa Croissants oder Eclairs – das sind gefüllte Brandteigteilchen –, eindecken möchte, kann das hier vor schöner Kulisse tun.
Ein Bioladen, der von zahlreichen Produzenten aus der näheren Umgebung beliefert wird, bietet wohlschmeckendes Obst und Gemüse an sowie viele Produkte aus belgischer Produktion wie zum Beispiel verschiedene Schokoladenaufstriche. Wir kaufen Brokkoli fürs Abendessen ein, mir liegt nichts an dieser Kohlart, von allen, die ich kenne, ist das für mich die langweiligste. Am Abend kommt die Überraschung: Wenn jeder Brokkoli so schmecken würden wie aus diesem Bioladen – ich wäre Fan davon!
Vergangenheit aus Leder und Papier
Früher wurden in der Stadt unter anderem Leder und Papier hergestellt, was ihr Wohlstand brachte, der sich noch heute in den Häusern zeigt. Wer sich etwas Zeit nimmt, durch die Straßen zu schlendern, passiert stattliche, historische Bauten aus mehreren Jahrhunderten.
Zum Beispiel das Patrizierhaus Villers, ein Reihenhaus von 1724 oder die Villa Steisel, die Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut wurde – beide aus rotem Ziegelstein. Die Häuser einiger Straßen datieren sogar zurück ins 16. Jahrhundert, viele der Fassaden sind mit Schiefer bekleidet. Im Malmundarium schließlich, einem vielseitigen Museum in einem ehemaligen Kloster, erfahren Besucher unter anderem etwas über die Papier- und Lederproduktion.
Jetzt aber wandern
Landschaft, Weite und viel Himmel lassen sich dagegen bei einer 14 Kilometer langen Wanderung um Heppenbach erleben. Mittlerweile ist es schon ziemlich warm geworden, als wir uns nach Heppenbach aufmachen. Schon die Anfahrt entpuppt sich als Überraschung. Die recht schmale Straße – vergleichbar mit einer deutschen Kreisstraße – windet sich auf einer Hochebene durch die Landschaft, vorbei an verstreuten Häusern, nicht wenige in traditioneller Bauweise mit Material aus der Umgebung, so wie es in Belgien weitverbreitet ist. Immer wieder säumen Bäume und Büsche die Straße.
In Heppenbach angekommen, würde ich am liebsten wieder umkehren, um die Strecke noch einmal zu fahren. Der beschauliche Ort gehört zur Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens. Seinen Einwohnern hört man den moselfränkischen Einschlag ihres Dialekts bereits an. Auf den Straßen und in den Gärten der weit auseinander liegenden Häuser ist kaum jemand zu sehen, neben der Kirche stehen ein paar Zelte der Kirmes, die am Wochenende stattfindet. Eine Kirmes ist in Belgien immer noch ein gesellschaftliches Ereignis, an dem sich viele aus den Ortschaften beim Aufbau der Zelte und Fahrgeschäfte beteiligen. Supermärkte wünschen an den Kassen fröhliches Feiern.
Zurück zur Wanderung: Sie verläuft überwiegend auf einer Hochfläche, dementsprechend bieten sich immer wieder wechselnde, weite Ausblicke. Der Himmel an diesem sommerlichen Tag ist blau und zu mehr als der Hälfte mit weiß-grauen Haufenwolken überzogen. Dass es vor allen Dingen die unterschiedlichen Grautöne sind, die Wolken so zum Hingucker machen, bestätigt sich auch diesmal. Fast stehlen sie der Landschaft die Schau. Aber nur fast.
Die Strecke führt an ungewohnt üppig blühenden Wiesen, Weiden und Wegrainen vorbei. Dutzende Schmetterlinge der Art Kleiner Fuchs lassen sich dabei beobachten, wie sie von Blüte zu Blüte fliegen. Zum Wandern ist es schon fast zu warm und unterwegs begegnen wir auch keiner Menschenseele. An einer Stelle hat sich ein Bienenvolk in einer Baumhöhle niedergelassen. Das Brummen der vielen Bienen ist das einzige Geräusch, das zu vernehmen ist. In einem Wiesental, durch das es anschließend geht, ist die Ruhe noch intensiver – wunderbar. Die Erkundung der nördlichen Ardennen? Gelungen!
Transparenzhinweis: Ich finanziere meine Reisen selbst. Für Empfehlungen erwarte und erhalte ich keine Gegenleistung. Ausnahmen kennzeichne ich.
Tipps & Links
Infomaterial
NO 1: Auf der Seite der Ostbelgien-Touristik stehen Broschüren zum Download oder zum Bestellen bereit. In der Wanderbroschüre „Genusstouren“ sind zahlreiche Wanderungen enthalten (unter Wandern/Genusstouren). Die beschriebene Wanderung ist dieser Broschüre entnommen.
NO 2: Lohnenswert ist auch das Magazin „Ostbelgien – Das Magazin“. Die Aufmachung ist ansprechend und die sind Texte gut geschrieben. Man findet sie zum Herunterladen oder Bestellen unter der Rubrik „Kostenlose Broschüren„.
Übernachten
NO 3: Unterkunft La Renardière
Sonstiges
NO 4: Bei Anreise mit dem PKW Vorsicht auf Höhe der Talsperre Bütgenbach (Schlaglöcher).
NO 5: Selbstversorger finden neben Malmedy in Waimes gute Einkaufsmöglichkeiten wie Bäckerei und Supermarkt (zehn Fahrminuten).
NO 6: Für die Anfahrt nach Heppenbach empfiehlt sich die Strecke über Waimes und Steinbach.
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