Unten Grün, oben Blau: Wandern im südenglischen Exmoor

Im Frühling zeigt sich die Natur im Nationalpark Exmoor im Südwesten Englands in erfrischenden Farben. Kommt die Aussicht über den Bristol Channel nach Wales hinzu, wird Wandern zu einem Erlebnis, das lange in Erinnerung bleibt

Nur eine einzige, schmale Straße verbindet die Kirche am Ortseingang von Selworthy mit einer Handvoll Häuser. Die Häuser sind teils aus Sandstein aus der Umgebung gebaut, einige sind blassgelb gestrichen und mit Reet gedeckt. Am Ortsausgang befindet sich die Selworthy Farm, unser Quartier für die nächste Nacht.

Es ist Mitte Juni, Schwalben segeln durch die Luft. Das Selworthy Farmhouse stammt aus dem 19. Jahrhundert, die Besitzerin zeigt uns mit knappen Worten unser Zimmer und den Frühstücksraum. Helles Sonnenlicht strömt von zwei Seiten durch die beiden Fenster unseres Zimmers.

Das Foto zeigt einen blauen Himmel, eine Schwalbe in der Luft, reetgedeckte Häuser mit Kaminen und einem typisch kurzgeschorenen englischen Rasen
Sonne, Schwalben in der Luft und eine Wanderung in Aussicht: Gute Voraussetzungen für einen perfekten Sonntag (Foto: C. Kreutzer)

Selworthy liegt in der Grafschaft Somerset, am Rande des Nationalparks Exmoor. Nicht weit entfernt verläuft die Steilküste des Bristol Channels, der den Südwesten Englands von Wales trennt. 1954 gegründet, erstreckt sich der Nationalpark von Minehead im Osten bis Combe Martin im Westen. Beide Orte liegen an der Küste und sind etwa 60 Kilometer voneinander entfernt.

Frei, aber nicht wild: Exmoor-Ponys

Zu Fuß brechen wir zu einer Wanderung auf, besichtigen zunächst kurz die Kirche, die etwas erhöht über der Straße thront und begeben uns auf einen unbefestigten Weg, der uns in Auf und Ab durch Grünland führt. Vor einer Hecke wachsen hier und da Fingerhüte, deren kräftiges pink vor dem blauen Himmel kontrastiert.

Am Wegrand wächst Fingerhut
Fingerhut wächst am Wegrand (Foto: C. Kreutzer)

Auf der Höhe der Hindon Organic Farm, die Farm und B&B zugleich ist, kreuzen wir die Wege von Schafen. Kurz darauf sehen wir Ponys, die wenige Meter entfernt auf nicht umzäuntem Gelände friedlich zu grasen scheinen. Sie gehören zu den Exmoor-Ponys. Auf den Seiten der Exmoor Pony Society und der Nationalparkverwaltung ist zu lesen, dass sie verschiedenen Besitzern gehören, jedoch frei herumlaufen. Etwa zwanzig Herden leben im Exmoor.

Schafe weiden auf dem Land der Hindon Organic Farm
Schafe weiden auf dem Land der Hindon Organic Farm (Foto: C. Kreutzer)
Dunkelbraune Exmoor-Ponys weiden frei und ohne Zäune
Dunkelbraune Exmoor-Ponys weiden frei und ohne Zäune (Foto: C. Kreutzer)
Zahlreiche Fingerhüte wachsen auf einem Hang. Sie blühen violett. Im Herbst sorgt Heidekraut für violette Blüten
Im Frühjahr blüht der Fingerhut in violett. Im Herbst sorgt Heidekraut für violette Blüten (Foto: C. Kreutzer)
Englands höchste Steilklippe befindet sich im Exmoor

Der Wanderweg führt zu einer Talflanke und verengt sich zu einem Trampelpfad. Rechts und links wächst Adlerfarn. Stellenweise bilden Fingerhüte dichte Bestände. Das Tal ist so schmal ist, dass es keinen ebenen Talboden hat. In der Ferne öffnet sich der Blick über den Bristol Channel bis nach Wales, das zunächst schemenhaft, aber dennoch deutlich zu erkennen ist.

Steile Hangflanken und kein Talboden: ein klassisches V-Tal
Steile Hangflanken und kein Talboden: ein klassisches V-Tal (Foto: C. Kreutzer)

Als wir den Bristol Channel erreichen, machen wir eine Pause und packen unseren Proviant aus. Auf der gegenüberliegenden Seite des Channels, in Wales, erkennen wir ein paar kleine Siedlungen. Unter uns geht es tief hinab. Rund 40 Kilometer weiter westlich fällt die 244 Meter hohe Steilklippe Great Hangman ins Meer. Sie gilt als die Höchste Englands.

Blick auf die Porlock Marsh. Meerwasser überschwemmt die niedrigsten Teile der Marsch und schafft Lebensraum für Salzwiesen.
Blick auf die Porlock Marsh. Meerwasser überschwemmt die niedrigsten Teile der Marsch und schafft Lebensraum für Salzwiesen (Foto: C. Kreutzer)

Im weiteren Verlauf wendet sich der Pfad wieder ins Landesinnere. Unten erstreckt sich nun die Porlock Bay. Die meeresnahen Bereiche sind nass, das kann man von oben gut erkennen. Die trockeneren Bereiche werden als Grünland genutzt. Es ist in mehr oder weniger rechteckige Parzellen unterteilt, die von niedrigen Sträuchern gesäumt werden. Langsam verliert der Weg an Höhe und wir erreichen den kleinen Ort Allerford. Über den Fluss Aller führt eine schmale Fußgängerbrücke aus dem 15. Jahrhundert. Neben der Brücke bildet die Aller eine Furt. Nasse Reifenspuren auf der anderen Seite zeugen davon, dass kürzlich ein Auto den Fluss gequert hat. Auf dem kurzen Stück bis Selworthy ist der Weg stellenweise ziemlich aufgeweicht. Balancierend gelingt es uns, trockenen Fußes durch den Matsch zu kommen.

Ein kleiner Ort, aber mit Café. Im Periwinkle Tea Rooms lässt sich die Tea Time besonders gut verbringen
Ein kleiner Ort, aber mit Café. Im Periwinkle Tea Rooms lässt sich die Tea Time besonders gut verbringen (Foto: C. Kreutzer)
Cream Tea aus der benachbarten Grafschaft Devon

Selworthy ist zwar klein, aber in einem der reetgedeckten Häuser ist ein Café untergebracht. Auf der Speisekarte steht Cream Tea, eine süße Spezialität aus der benachbarten Grafschaft Devon. Sie besteht aus zwei Trockengebäcken, Scones genannt. Frisch gebacken, sind sie alleine schon umwerfend. Dazu kommt Marmelade und clotted cream, ein Milchprodukt, das eine dichtere Konsistenz hat als Sahne und vollmundiger schmeckt. Wir probieren Cream Tea zum ersten Mal. Selworthy bietet sich nicht nur als Ausgangspunkt von Wanderungen an, auch als Ziel ist es bestens geeignet.

Das Foto zeigt die Selworthy Farm, ein hellgelb gestrichenes Haus mit einem grünen Rasen davor
Die Selworthy Farm liegt am Ende des gleichnamigen Ortes (Foto: C. Kreutzer)
Auf Wanderwegen aus Gras lässt es sich angenehm wandern
Wandern auf weichem Boden: Wiesenwege (Foto: C. Kreutzer)
Das Foto zeigt viel Grünland, das von Bäumen und Hecken in eine kleinteilige Landschaft gegliedert wird
Bäume und Hecken gliedern die Landschaft (Foto: C. Kreutzer)
Das Foto zeigt einen Weg, zu dessen rechte und linke Seite Stechginster wächst. Im Hintergrund sieht man den Bristol Cannel und Wales
Stechginster rechts und links des Weges ist ebenfalls eine verbreitete Pflanze im Nationalpark (Foto: C. Kreutzer)
Das Foto zeigt ein rustikales Ausflugslokal bei Watersmeet. Im Vordergrund fließt der East Lyn River
Nach einer Wanderung am East Lyn River entlang, bietet das Ausflugslokal bei Watersmeet Gelegenheit zur Pause. Siehe Tipps & Links (Foto: C. Kreutzer)
Das Foto zeigt ein rustikales Ausflugslokal bei Watersmeet. Auch auf dieser Seite befinden sich Sitzplätze
Rund ums Haus bietet das Ausflugslokal bei Watersmeet Sitzplätze unter freiem Himmel. Siehe Tipps & Links (Foto: C. Kreutzer)
Als Tarr Steps wird eine Brücke aus waagerechten Platten bezeichnet. Das Foto zeigt eine Brücke aus waagerechten Platten. Sie führt über den Fluss Barle.. S
Die Tarr Steps im Süden des Exmoors. Eine Brückenform aus der Zeit, bevor die Ingenieurskunst die Brückenbogenbauweise entwickelte. Siehe Tipps & Links (Foto: C. Kreutzer)
Das Foto zeigt die Brücke Tarr Steps von der Seite. Bei Hochwasser werden die ein bis zwei Tonnen schweren Platten der Tarr Steps schon einmal weggerissen
Bei Hochwasser werden die ein bis zwei Tonnen schweren Platten schon einmal weggerissen. Siehe Tipps & Links (Foto: C. Kreutzer)

Wer mehr lesen möchte …
In Minehead, fünf Kilometer östlich von Selworthy, startet der über 1000 Kilometer lange South West Coast Path. Was sich – abgesehen von der beachtlichen Länge – nach einer leichten Wanderung entlang der Küste anhört, entpuppt sich als Weg mit vielen Steigungen. Der Weg endet am Ärmelkanal in Poole.

Südlich von Selworthy geht das Exmoor noch weiter. Dunkery Beacon ist mit 519 Metern der höchste Punkt des Exmoors.

Ein Blick über den Tellerrand
Jahrhundertelang hat der Mensch die Landschaft um sich herum trockengelegt und damit viele Lebensräume, zum Beispiel Moore, für feuchte- und nässetolerierende Pflanzen beseitigt. Wer sich für die faszinierende Wirkung der Wiedervernässung der Landschaft interessiert, erhält durch ein Poster der Exmoor-Nationalparkverwaltung eine anschauliche Übersicht. In Deutschland werden ebenfalls Flächen, insbesondere Moorflächen, wiedervernässt. Links dazu auf Anfrage.


Transparenzhinweis: Ich finanziere meine Reisen selbst. Für Empfehlungen erwarte und erhalte ich keine Gegenleistung. Ausnahme kennzeichne ich.


Tipps & Links
Infomaterial
NO 1: Die Webseiten des Nationalparks Exmoor geben gute Auskünfte über Natur und Kultur und über Freizeitaktivitäten. Als eine Art Kompendium informiert dieses pdf auf 42 Seiten über Natur, Geschichte und Kultur des Exmoors.

NO 2: Ebenfalls Informationen bietet die Seite Visit Exmoor.

Aktiv unterwegs
NO 3: Am Zusammenfluss von East Lyn River und Hoar Oak Water liegt Watersmeet. Nach einer Wanderung von Lynmouth am East Lyn River entlang, bietet ein rustikales Ausflugslokal Gelegenheit zur Pause (und sich vielleicht bei einem Cream Tea zu stärken). Es gibt viele Sitzplätze unter freiem Himmel. Weitere Wanderrouten um Watersmeet mit Karten und Textbeschreibungen bietet der National Trust an.

NO 4: Im Süden des Exmoors lässt sich eine 20 Kilometer lange Wanderung unternehmen, die nicht weniger interessant ist: Von Dulverton führt sie zu den Tarr Steps, einer außergewöhnlichen Brücke über den River Barle. Die Steinbrücke stammt aus einer Zeit, als man die Brückenbogenbauweise noch nicht kannte. Die Tarr Steps sind aus ein bis zwei Tonnen schweren Platten errichtet, die flach auf Stützen aufliegen.

NO 5: Weitere Wanderrouten gibt die interaktive Wanderkarte Exmoor Walking Map her.

Essen & trinken
NO 6: Cream Tea ist eine süße Spezialität, die aus zwei Trockengebäcken, Scones genannt besteht. Frisch gebacken, finde ich sie ohne Alles schon köstlich. Dazu kommt Marmelade und clotted cream, ein Milchprodukt, das eine dichtere Konsistenz hat als Sahne und vollmundiger schmeckt. Cream Tea wird in Tea rooms serviert, in Selworthy im Periwinkle Tea Rooms.

Last but not least
NO 7: Wer mehr über Exmoor-Ponys erfahren möchte, kann sich auf der Seite der Exmoor Pony Society umsehen. Die Seite kommt zwar in einer eher altmodischen Gestalt daher, die Liebe zu den Pferden ist ihr aber anzumerken.

Und nun zu Euch, liebe Leserinnen und Leser:
Wer Fragen zum Exmoor hat oder Anregungen, kann gerne einen Kommentar schicken


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